Mit
thinking under fire beschrieb Wilfred R. Bion 1975 die Anforderung an
Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytiker in besonders schwierigen
Behandlungssituationen. Es handelt sich dabei um Situationen, an denen
nicht nur jede auch noch so gut begründete Intervention abprallt,
sondern in denen auch das Denkvermögen des Psychoanalytikers bzw. der
Psychoanalytikerin als solches angegriffen wird. In der klinischen
Praxis geht es dabei um Denkgebote, Denkverbote und Tabuisierungen, aber
eben auch um eine Zersetzung des Denkens selbst. Dabei ist das Denken
i. S. von Bion kein rein kognitiver Vorgang, sondern eng mit den
Gefühlen verlötet. Mit den Angriffen auf das Denken ist zugleich auch
die psychotherapeutische Beziehung angegriffen. Die Angriffe auf den
Denkraum können sowohl psychologischer, als auch konkret physischer
Natur sein. Letzteres zeigt sich in Ländern wie der Ukraine oder Israel,
in denen Psychotherapie teilweise nur unter Kriegsbedingungen
durchgeführt werden kann.
Angriffe auf den emotionalen Denkraum
sind nicht allein auf die klinische Situation beschränkt. Wir erleben
solche Angriffe – Stichwort Fake News - auch im gesellschaftlichen Raum
in Form von Attacken auf die Wahrnehmung und auf jedweden Konsens
darüber, was gemeinsam für wahr-genommen wird. Einerseits handelt es
sich hier um Angriffe äußerer Herkunft, wie die hybride Kriegsführung
totalitärer Staaten gegen die westliche Welt, z. B. durch Cyberattacken
oder durch Kampagnen, die auf Spaltung und Desinformation abzielen.
Andererseits handelt es sich auch um Angriffe aus unserer Mitte, welche
die Voraussetzungen des Miteinanders in unserer Kultur untergraben
können. Hier geht es vor allem um Angriffe auf vieles, was den
emotionalen Denkraum absichert: Die Akzeptanz grundlegender Facts of
Life (Roger Money-Kyrle 1971), wie der grundlegenden Abhängigkeit von
anderen, der ödipalen Struktur und der Vergänglichkeit. Wir erleben auch
Angriffe auf die Akzeptanz von Prinzipien, die für das Gemeinwesen
konstitutiv sind, wie z. B. die Begrenzung der Freiheit des Einzelnen
dort, wo die Freiheit eines anderen beginnt. Dies geht einher mit
zunehmender Nicht-Akzeptanz von Führung und Konfliktlösung im
demokratisch legitimierten Sinne. Angegriffen sind heutzutage auch die
Prinzipien der Wissenschaft sowie die Ächtung von Antisemitismus,
Rassismus, religiöser oder geschlechtlicher Verfolgung.
Bion
sprach in diesem Zusammenhang von einem Angriff auf Verbindungen. Mit
der Herstellung von Verbindungen – auf persönlicher, fachlicher,
wissenschaftlicher und kultureller Ebene - ist auf den Punkt gebracht,
worum es uns bei unserer 74. Jahrestagung im schönen Weimar geht, in das
wir gerne zurückkehren: Wir möchten zum Erhalt und zum Ausbau
emotionaler Denkräume beitragen, auch um zu einem angemessenen Umgang
mit den bestehenden Bedrohungen beizutragen. Dabei müssen wir uns auch
fragen, welche Denkgebote und -verbote den Denkraum innerhalb der
psychoanalytischen Gemeinschaft bestimmen. Vor diesem Hintergrund freuen
wir uns sehr auf Ihre Beiträge – bitte zögern Sie nicht, sie uns bis
zum Jahresende 2022 einzureichen.
Rupert Martin, Birgit
Jänchen-van der Hoofd, Georg Schäfer
Hinweise zur
Einreichung:
Ihr Abstract übersenden Sie uns bitte bis zum 28. Dezember 2022 - per
E-Mail - an die Geschäftsstelle der DGPT (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!). Auf der
Grundlage der eingereichten Abstracts erfolgt die anonymisierte
Auswahlder Vorträge und Arbeitsgruppen für den Samstagnachmittag.
Bei der Auswahl Ihrer Präsentation werden wir Ihnen eine
Referentenvereinbarung übermitteln, die alle Absprachen,unsere üblichen
Konditionen und insbesondere die einschlägigen Fristen beinhalten wird.
Da ggf. eine Veröffentlichung im Tagungsband in Betracht kommt, bitten
wir Sie schon jetzt darauf zu achten, dass der Veröffentlichung keine
Rechte Dritter entgegenstehen.
Aufgrund verschiedener
Rückmeldungen zu den letzten Tagungen planen wir - wann immer es geht -
die Zahl der Vorträge, Foren und Arbeitsgruppen thematisch zu
gruppieren, um dadurch mehr Kontinuiät und ein Mehr an lebendigem
Austausch entstehen zu lassen.
Die Teilnehmerzahl hat sich, nach Spitzenwerten von über 120, auf ca.
90–100 Personen eingepegelt. Trotzdem hat die Veranstaltung ihren
Charakter als Arbeitstreffen behalten. Die Kosten, und damit auch die
Teilnahmegebühren, werden bewusst niedrig gehalten. Für den Ablauf galt
lange, dass am Freitagnachmittag zwei, am Samstag zweimal drei und am
Sonntagvormittag zwei halbstündige Vorträge angeboten wurden. Seit 2017
wird für den Freitagnachmittag ein "Ehrengast" eingeladen: ein/e
namhafte/r Kolleg/in, auch aus dem Ausland, der/die normalerweise nicht
den Weg zu uns finden würde und dem/der eine längere Vortragszeit zur
Verfügung gestellt wird. Es wird Wert darauf gelegt, dass nach den
Vorträgen je eine halbe Stunde Zeit für die Diskussion bleibt. Das
Symposion wird durch eine organisatorische Sitzung beschlossen, in der
sein basisdemokratischer Charakter zur Geltung kommt. Ein Buffet am
Freitagabend ist fester Bestandteil des Programms. Auch am Samstagabend
wird die Möglichkeit für ein geselliges Zusammensein geboten. Passende
Randveranstaltungen, zum Beispiel "Mitteilungen aus dem Archiv zur
Geschichte der Psychoanalyse", werden je nach Angebot ins Programm
aufgenommen.
In der Plenarversammlung des 25. Symposions wurde beschlossen, dass
sich das Symposion zum Gedenken an Gerhard Fichtner, der am 4. Januar
2012 verstorben ist (siehe den Nachruf in LUZIFER-AMOR, Heft 49), an der
Einrichtung eines Gerhard-Fichtner-Stipendiums
für Forschungen zur Geschichte der Psychoanalyse beteiligt, das auf
Anregung von Ludger M. Hermanns, dem Vorsitzenden des Vereins Archiv
zur Geschichte der Psychoanalyse, ins Leben gerufen wurde.
Ludger M. Hermanns: LM.Hermanns@t-online.de
Rainer Herrn: rainer.herrn@charite.de
Andrea Huppke: a.huppke@web.de
Tagungsbüro (Sabine Selle): symposion-psycho@charite.de
34.–35. Symposion, 2021 und 2022: wegen Corona als Zoom-Veranstaltung
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